Literarisches Schreiben – Margit Koemeda
Herzlich willkommen!
Auf dieser Seite finden Sie meine belletristischen Titel.
Erzählungen, Romane, Theaterstücke
Ich wurde als Österreicherin in Nürnberg geboren, habe ein Jahr in den USA gelebt und Psychologie, Soziologie und Literaturwissenschaft in Konstanz studiert. Ich lebe und arbeite in Ermatingen am Untersee / Bodensee. Bisher wurden vier Romane, ein Erzählband, ein Band mit literarischen Miniaturen und drei Theatertexte von mir veröffentlicht, außerdem eine Reihe von Fachpublikationen (s. Psychotherapeutische Praxis). Ich bin mit A. Jens Koemeda verheiratet und Mutter von zwei erwachsenen Töchtern.
„Mich interessiert, was Menschen verbindet und was sie trennt.“
Cover: Die fehlenden Sprossen in meiner Leiter (2024, Eggingen, Isele)
Romane
Die fehlenden Sprossen in meiner Leiter (2024, Eggingen, Isele)
Suchbild Liebe (1998; 2018, Eggingen: Isele)
Mail-Match-Ing. Neun Etüden für Schlaflose (mit A.Kayser, 2017, Eggingen, Isele)
Theatertexte
Zoom (unveröffentlicht)
Erzählungen, Literarische Miniaturen
Dokumentationen
«Spurensuche» in «Breitenstein in Ermatingen am Untersee» (1988, Frauenfeld: Huber)
«Breitenstein – 1981 – 2021» (Hrsg., 2021, Zürich: edition 381)
Textauszüge
Mein Fluss
Auf dunkelgrauem Novemberwasser ziehen sich schmale Lichtovale in die Länge, schlängeln voran, springen von hier nach dort. Diamantenes Sonnengefunkel hüpft vor massigen Brückenpfeilern. Übermütig und kurzlebig, weil sich schon wieder eine regenschwere Wolke vor die Sonne schiebt.
(aus: «Bleiche Rosen» 2023)
Eiswürfel
Sie hat das Mahlen der Kieselsteine in den Ohren, den tosenden Lärm des anbrandenden Wassers. Sieht die einstürzende Wasserwand. Wie jedes Mal bricht hier der Traum ab. Schweißgebadet schnellt Paolas Kopf voran nach oben. Auch heute scheint die Sonne nicht. Grau drängt sich ein neuer Morgen durch die Jalousien. Und es ist alles immer nur Gegenwart, der Atem, ihr Herz, die Erinnerung.
(aus: «Bleiche Rosen» 2023)
Die fehlenden Sprossen in meiner Leiter
Vater erzählte selten vom Krieg. Wir wussten nur, dass er in Frankreich, in Russland und später in Italien gewesen und dass man ihm, obwohl er noch blutjung war, früh und überall rasch Verantwortung übertragen hatte. Irgendwann einmal hörte ich ihn die bittere Kälte in Russland erwähnen, er sprach von den im Winter gefrorenen Exkrementen an Wegrändern und hinter den Häusern. Und dass er sich gefragt habe, wie das im Frühling und Sommer auszuhalten sein würde. Bizarre Bilder und Vorstellungen. Bei meiner Schwester und mir kam an, dass wir froh und dankbar sein mussten, weil wir in einem zivilisierten Land lebten. Vater erzählte von beschlagnahmten Pferden und wie er einmal einen Spähtrupp zu befehligen hatte, bei dem fast lautlos der Mann links und der rechts von ihm von Kugeln getroffen wurden und zu Boden fielen.
Mehr erzählte er nicht, vielleicht weil wir Kinder kaum reagierten. Es war unvorstellbar. Vermutlich stand er selbst immer noch unter Schock und konnte nicht mehr berichten als die nüchternen Fakten. Links und rechts je einer. Drei minus zwei gleich eins. Er.
Meine Schwester erinnert sich daran, bei Vater, ohne genau zu wissen wodurch, immer wieder auf emotionale Tretminen gestiegen zu sein, dass sie ihn zur Weißglut oder zum Explodieren bringen konnte. Auch erinnert sie sich, dass er uns Kindern verboten hatte, seine linke Schreibtischschublade zu öffnen. Meine Schwester wäre sehr neugierig gewesen, aber wir hielten uns an Vaters Verbot. Sie habe eine Pistole oder eine Liebesgeschichte darin vermutet. Bei der Räumung des Elternhauses fanden wir jedoch nichts dergleichen.
Als unsere Eltern im Jahr 2016 eiserne Hochzeit feierten, kam ein Journalist zu ihnen in die Einfamilienhaussiedlung in einem Vorort von Nürnberg. Vater war es wichtig, dass in seiner Biografie die Kriegsteilnahme erwähnt würde. Ohne Krieg hätten es seine »besten Jugendjahre« gewesen sein können.
Da wurde ich aufmerksam. Vielleicht zum ersten Mal in meinem Leben.
(aus: «Die fehlenden Sprossen in meiner Leiter» 2024)
Herzzeitlose
JENNY: Was soll ich Ihnen sagen? Eine prägnante Erfahrung, die mich an meine Mutter erinnert: ihre verheulten Augen, ihr ohnmächtiger Zorn. Ihrem Bruder war plötzlich eingefallen, die Zimmer auf unserer Etage neu streichen zu lassen. Er hatte den Maler für den nächsten Tag bestellt und ihr dies per Anruf ins Büro mitgeteilt. Als sie abends nach Hause kam, musste sie unser Wohnzimmer leerräumen, die Möbel in die Mitte stellen. Ich war gerade mit Freunden unterwegs. Bei meiner Rückkehr fand ich sie, außer sich vor Wut.
Und eine Szene, die mich an meinen Vater erinnert?
Der immer schlecht beleuchtete Gang, der zu seinem Zimmer führte. Rechts und links Regale voll mit Schachteln und Kisten, aus denen Kabel unterschiedlicher Farben quollen. Auch sein Zimmer war vollgestopft mit technischen Geräten, meistens saß er bei heruntergelassenen Jalousien. Auf dem Schreibtisch standen eine Lampe, die das Werkstück, an dem er gerade arbeitete, beleuchtete, daneben eine Tastatur und ein Bildschirm. Seine Hände bedienten abwechselnd den Lötkolben, dann wieder die Maus. Zwischendurch nahm er seine qualmende Zigarette aus dem Aschenbecher und zog daran.
Herzzeitlose, Uraufführung Kellerbühne St. Gallen, 18.11.2020
Probenfotos von Timon Furrer
